Leseprobe: 13. Kapitel - DIE GESUNDHEIT

Schmerzen sind Gesprächsangebote. Sie sind das konzentrierte Begehren meines Körpers oder meiner Seele zu einer Debatte mit mir-selbst über einen Zustand gesunden Gleichgewichts.

Dieses Ansinnen wird zuweilen flüchtig und gelinde, manchmal auch ungestüm und schneidend vorgetragen, und wieder ein ander Mal beharrlich und bohrend, beißend oder brennend. Schmerzen können so vielfältig sein wie das Leben.

Aber Schmerzen sind nicht Krankheit. Krank oder am Ende meines Weges in diesem Leben bin ich, wenn mein Körper, meine Seele oder mein Geist in Unfrieden sind und ich nicht mehr ohne tragende Hilfe leben kann, wenngleich auch solches seinen Sinn hat. Gesund bin ich jedoch, wenn ich aus eigener Kraft und über längere Zeit in einem schwingenden Gleichgewicht stetiger Entwicklung weile. Es gibt Schöneres als Schmerzen, aber kaum etwas, das so nahe an der Wahrheit ist. Schmerzen sind – wie Zustände des Glücks – klare Worte in der Sprache meiner Gesundheit. Sobald ich sie wirklich verstanden habe, lassen sie mich sein, und ich bin in Frieden.

Sind sie aber einmal entstanden und möchte ich mich ihrer entledigen, so muss ich mir bewusst machen, dass ich sie nicht einfach aus mir herausreißen kann, ohne krank zu werden. Gehe ich achtlos über sie hinweg, werden sie lauter, bis ich ihr Schreien nicht mehr überhören kann. Bekämpfe und unterdrücke ich sie gedankenlos, werden sie zu Dämonen, die sich flugs verwandeln, um mit anderer Stimme, von anderen Orten in meinem Körper heftiger denn je erneut anzuheben.

Es mag auch geschehen, dass ich meine Schmerzen zwar ernst nehme, dass ich sie aber nicht recht verstehe, so dass ich ihnen noch nicht richtig antworten kann. Dann brauche ich mich nicht gleich vor Krankheit zu fürchten, denn sie werden keine Ruhe geben und von alleine deutlicher werden, bis mir ihre Botschaft in aller Bestimmtheit vor Augen steht und ich mich von ihnen erlöse.

Ich kann außerdem um eine verständliche Übersetzung ihrer Sprache bitten. Sie wird mir dann vielleicht in Symbolen zuteil, deren Bedeutungen sich von selbst erhellen, zuweilen wie Träume, deren wortlose Zeichensprache mir nicht nur vom Heil-Werden erzählt, nein, sie ist schon an sich ausgesprochen heilsam.

Mein Träumen heilt und erhält mich. Ohne Träume würde ich schwerlich gesund bleiben. Denn in meinem Träumen bin ich der Weisheit meines Inneren Arztes nahe, der mich auf den Weg eines gesunden Glaubens zurückführt. Wenn ich glauben kann, gesund zu sein, bin ich es bereits. Ich bin glücklich, dies erkannt zu haben, denn es ist ein Freiheitsgrad der Eigenmacht meines Lebens. Indem ich jedoch daran glaube, krank zu werden, und entsprechende Vorstellungsbilder entwickle, öffne ich dem Siechtum Tür und Tor.

An die eigene Krankheit zu glauben ist kranker Glaube.

Wenn mir zum Beispiel mein Arm weh tut, weiß mein Innerer Arzt, ob ich dies auf die leichte Schulter nehmen, mich schonen oder davon überzeugen soll, dass dieses Unbehagen gerade ein Ruf nach mehr Bewegung ist. Behutsam taste ich mich an den Schmerz heran, einmal, mehrmals, oft und weiter, und schließlich überwinde ich diese Grenze, auch wenn es mir anfänglich unmöglich schien. Ich gehe in den Schmerz, über den Schmerz hinaus und lasse ihn hinter mir.

Habe ich einen bohrenden Kopfschmerz, ziehe ich mich so bald wie möglich zurück und sorge für Ruhe. Vielleicht mag ich nach ihm tasten, … wo genau befindet sich der Schmerz, oh, er weicht an eine andere Stelle aus, aber meine Fingerspitzen folgen ihm … nein, er entwindet sich, doch ich fange ihn immer wieder, bis er sein Spiel aufgibt. Denn ich schaue ihn an, und er hat kein Entrinnen mehr. Ich stelle ihn. Dann entschwindet er, weil er nur eine Vokabel ist in einer stummen Zwiesprache, die ich endlich begriffen habe.

Wie kostbar das Leben ist! Ehrfürchtig und voller Liebe achte ich es! Ein fehlendes Bein, ein zerstörtes Auge wird ziemlich sicher nicht mehr nachwachsen. Dies würde den Erfahrungen widersprechen, die in den Leben unserer Vorfahren über viele Millionen Generationen zu Gesetzlichkeiten geronnen sind. Wenn mir solches Unheil geschieht, dann brauche ich eine Krücke. Trotzdem hätte ich große Macht, mein Leben in Gesundheit zu gestalten, nur bekäme sie ein anderes Gleichgewicht.

Wer weiß aber, wozu das Glauben imstande ist? Gibt es nicht auch Menschen, die im Kreise ihrer Familie und Arbeitskollegen ein quicklebendiges Leben führen, ohne je einen Tropfen Wasser zu trinken und ohne jemals zu essen? Sie haben nicht den geringsten Zweifel, dass es möglich ist, Sie glauben daran, und ihre innere Gewissheit lässt es geschehen – vollkommen entgegen jeder Alltagserfahrung und jedem sogenannten „gesunden Menschenverstand“ zuwider. Wer weiß denn, wozu unser Körper, dieses einmalige Wunderwerk, sonst noch imstande ist?!

Gesund zu sein ist meine eigene Entscheidung, und im Grunde bin ich mir selbst der Beste Arzt. Selbst wenn alle Menschen um mich herum von einer unsichtbaren Pestilenz danieder liegen sollten, ich aber bis zur letzten Faser meines Leibes tief in mir-selbst glauben kann: ‚Ich bin geschützt’, so bleibe ich unverletzlich.

Aber selbstverständlich gibt es in meinem Leben Zeiten, da ich wirklich krank bin und der Hilfe Anderer bedarf. Dann hat die Höhere Wesenheit, derer ich Teil bin, sich aus ihrer erhabenen Sicht für diese bestimmte Krankheit entschieden, weil ich auf diese Weise ein Bündel von Erfahrungen machen kann, die mir sonst kaum zugänglich gewesen wären. Genauso kann ich mit Anderen zusammen eine gemeinschaftliche Krankheit ausbrüten. Jedoch sobald ich dieses erlebt und die Hintergründe erfasst habe, kann ich wieder gesund werden und mich anderen Erfahrungsbereichen zuwenden. Möglicherweise entdecke ich aber auch, dass ich die anstehenden Erfahrungen genauso gut ohne Erkrankung machen kann. Dann kann ich mich anders entscheiden und erhole ich mich von selbst so bald, dass es mir wie ein Wunder erscheinen mag.

In meinem Streben nach Gesundheit darf ich alle gebotenen und verfügbaren Möglichkeiten nutzen, an deren Heilwirkungen ich glauben kann. Ich darf andere Menschen, Tiere und Pflanzen um Hilfe bitten, zwei, drei, mehrere. Und ich darf einen gut gemeinten Rat ablehnen, wenn er mir nicht angemessen erscheint. Am besten frage ich viele unterschiedliche Menschen, damit es nicht so leicht geschieht, dass ich einem Einzelnen die Macht verleihe, mich kraft seiner Autorität etwas glauben zu machen, das unvollständig ist oder mir zuwider läuft. Der Weg zu Abhängigkeit ist nämlich kurz. Kein Mensch kennt mich genau. Nur mein Innerer Arzt weiß alles über mich.

Wieviele Menschen sind in ganz bestimmter Weise erkrankt, nur weil sie sich von der gelehrten Bezeichnung einer Krankheit überzeugen ließen? Wieviele Kranke, denen man aufgrund bestimmter Erfahrungen vorausgesagt hat, wie lange sie noch zu leben haben, wurden gehorsam und sind pünktlich gestorben? Sie sind vorauseilend gehorsam geworden, weil sie bereit waren, sich glauben machen zu lassen. Ich aber, indem ich in mich höre, bin nur mir-selbst gehorsam.

Ein guter Arzt ist mir, der mich auf den Weg zu mir-selbst zurückführt, wenn ich einmal davon abgekommen sein sollte.

Ratgeber können durchaus hilfreich sein und mich weiterbringen, aber ich prüfe bewusst meine Bereitschaft, mich durch Andere etwas über Dinge glauben machen zu lassen, das nicht aus mir-selbst kommt. Mit einer treuseligen Hingabe wäre ich gegenüber mir-selbst nicht aufrichtig, dann würde ich verkennen, dass ich die Pflicht zur Eigenverantwortlichkeit übernommen habe.

Ich bin dabei keinesfalls hilflos, denn ich bin mit meiner Quelle verbunden und werde aus ihrer unerschöpflichen Energie gespeist. In Zeiten der Muße kann ich ihr durchdringendes unaufhörliches Summen in den vielen Teilen, aus denen mein Körper besteht, spüren und in einen Zusammenhang bringen mit den vielen Anteilen meiner Persönlichkeit, und jeder Anteil meiner Persönlichkeit befindet sich in allen meinen Körperteilen, so lange ich lebe.

Ein schlimmes Übel ergreift mich, wenn meine Anteile in Unordnung geraten und uneins werden. Ich kann es geschehen lassen, dass sie wild werden und dass Auflösung von mir Besitz ergreift. Wenn ich aber mein Wollen bündele und meine ganze Kraft konzentriert nach innen weite, wenn ich die vielen kleinsten Körperteile zu einem gemeinsamen einfühlsamen Tanz bewege, bei dem sie sich allesamt reinigen und miteinander wohlfühlen, weil keines mehr aus der wunderbaren Gemeinschaft meines Organismus ausgeschlossen ist, dann kann ich mich in kurzer Zeit von jeder noch so bösartigen Störung meines Gleichgewichts heilen.

Mein Körper ist das Haus in meinem Garten. Es liegt in meiner eigenen Entscheidung, diesen wunderbaren Körper zu bewohnen oder ihn zu verlassen, wenn er verbraucht und unbewohnbar geworden ist.

Ab heute glaube ich meinem Inneren Arzt, den ich jederzeit um Erkenntnis und Lösung bitten kann. Ich vertraue meiner Quelle.

Niemand kann mich heilen und gesund erhalten, nur ich-selbst.

Ich bin gesund und bleib es auch.

Heute ist der erste Tag meiner neuen Gesundheit.


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1 Kommentar:

  1. Nikola Bogdanovic3. August 2013 um 07:02

    So einfach, klar und voller Wahrheit. Alles hat eine Bedeutung. Nichts ist überflüssig.

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